Daniel Sturm
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Bei Ostwind stinkt's nach Sauerkraut und Jauche
Anwohner der Grube Camphausen haben die Nase voll - Begrünung mit üblen Begleiterscheinungen
Saarbrücker Zeitung, August 24, 1993

Von unserem Mitarbeiter DANIEL STURM

Dudweiler. Bei Ostwind machen die 1500 Bewohner der Grühlingshöhe ihre Luken dicht: ein bißchen Sauerkraut, ein wenig Jauche. Viele Bürger haben die Nase voll. Was aus dem trockenen Absinkweiher der Grube Camphausen stinkt, ist eine lästige Begleiterscheinung. Den Bergestaub, der dort bis 1990 im Wasser lagerte, soll bald eine grüne Lunge ersetzen. Dazu läßt die Grube Reeden seit 1992 Papierschlamm aufbringen. Der beißt zwar in der Nase, sorgt aber für die Bindung der Staubmengen und den Untergrund für Bäume und Pflanzen.

Wertminderung der Wohnungen

Ein scharfer Geruch bestätigt beim Eintritt alle Gerüchte. Beim Spaziergang durch die nähere Umgebung lehnt der interessierte Mieter verschnupft ab: "Nein, danke - hier stinkt's mir zu sehr". Ähnlich könnte es sich bei Gut-Wetterlage im Wohngebiet "Grühlingshöhe" abspielen. Wertminderung der Wohnung infolge Gestanks. Für Rosamarie Paulussen nur ein denkbarer Beigeschmack: "Auf Dauer gesehen ist dieser Jauche-Geruch unerträglich". Mit ihrer Familie wohnt sie seit 1985 am Absinkweiher im Hochhaus Nummer 3. Damals dümpelte hier noch schwarzes Wasser. Was die Anwohnerin vor allem empört, ist die ungenügende Versorgung mit Informationen: "Die machen das sicher auch nicht aus Spaß und Tollerei".

Auf der zwölf Hektar großen Fläche riecht fast alles nach Natur. Ein sanfte Prise Kläranlage weht über die frische Grasnarbe. Nur die rotierende Betonmisch-Maschine stört das Idyll. In hohem Bogen verteilt ein Arbeiter mit Spritzpumpe die schwarz-sämige Flüssigkeit.

"Ich gebe zu, daß es riecht, aber stinken tut das nicht", erklärt Dr. Manfred Schmauck. Der Betriebsdirektor der Grube Reeden hat natürlich das Ziel seiner Sache im Blick. Ein Drittel des ehemaligen Absinkweihers sei immerhin schon grün. Noch im nächsten Jahr soll die Stinkerei ein Ende haben.

Als Saarberg 1963 die Genehmigung bekam, Reststoffe aus der Kohleförderung am Sulzbach abzulagern, dachte niemand an das Aus. Doch die Stillegung der Grube Camphausen kam im November 1990. Mit großem Aufwand wurde der Absinkweiher abgetrocknet. Übrig blieb das mittlerweile 15 Meter starke Sediment aus der Kohleförderung. Feinste Stäube, sogenannte "Flotationsberge", die der Aufforstung später Steine in den Weg legte. Im Frühjahr 1991 macht sich Staub an der Oberfläche selbständig und belästigte die Anwohner. Zuerst versuchten die Bergleute, den Staub mit Wasser oder Mulch zu binden. Es half alles nichts. Die Grassamen wurden vom Winde verweht - bis man auf ein neues Verfahren stieß.

"Das ist bundesweit der erste Weiher, der erfolgreich begrünt wird", erläutert Ingenieur Fritz Mödinger mit einem Anflug von Stolz. Er glaubt, das Erfolgsrezept gefunden zu haben. Dabei werden die kurzfasrigen Reste aus der Papierherstellung mit Bergestaub, Wasser und Grassamen gemischt. Zum Spritzen der zähflüssigen Masse bleibt nur wenig Zeit - sonst stinkt's bestialisch. Deshalb auch die Auflage, den Papierschlamm an Ort und Stelle aufzutragen. 16 Kubikmeter in einer Stunde. Mit Argusaugen wachen Experten der Universität Hohenheim darüber, daß die Schadstoffwerte eingehalten werden. Die Papierabfälle sind nämlich nicht unproblematisch. Eine Belastung des Grundwassers mit Schwermetallen ist möglich.

Ein Abenteuerspielplatz?

Der anfängliche Jauchegeruch hat nachgelassen. Na klar, der Wind hat gedreht. "Meine Aufgabe ist zunächst einmal, Kohle zu fördern", stellt Manfred Schmauck klar. Der Betriebsdirektor der Grube Reeden möchte über das Geschick des ehemaligen Absinkweihers nichts sagen. Dabei könnte hier sicher mal ein Abenteuerspielplatz entstehen.