Daniel Sturm
Journalism & Research


         

Politics

War & Sept. 11

Arts & Entertainment

Environment & Technology

Racism

General Interest

 

 

 

Order Book Online Amazon.de

 

 

 

Gefahr gebannt
Kreuzer, Mai 2001

Noch im November letzten Jahres, als erste Vorschläge zur "Verschlankung" der Hochschulen an die Öffentlichkeit drangen, sah es für manche Fachbereiche finster aus. Von der Zusammenlegung mancher Fächer war die Rede. Nach dem Beschluß der Staatsregierung, in den kommenden neun Jahren 1.700 Stellen an den sächsischen Hochschulen einzusparen, sahen Kritiker das Ende der traditionsreichen "Voll-Universität" nahe. Jetzt liegt der Schlußbericht der Sächsischen Hochschulentwicklungskommission (SHEK) vor. Der KREUZER sprach mit dem Rektor der Universität Leipzig, Professor Dr. Volker Bigl.

KREUZER: Sehen Sie die schlimmsten Gefahren gebannt?
Bigl: Die Empfehlungen der Strukturkommission geben keinen direkten Hintergrund für ein Bedrohungs-Szenario mehr ab. Sie SHEK hat sich ganz klar dafür ausgesprochen, viele der früher im Raum stehenden Androhungen nach reichlicher Überprüfung zurückzuziehen. Ob es kleinere Strukturänderungen geben wird - etwa im Zusammenhang mit der empfohlenen Einrichtung von Zentren für Lehre und Planung, ist in einigen Fällen sogar sinnvoll.

KREUZER: Wird es zur Zusammenlegung von Fakultäten wie der Rechtswissenschaft kommen?
Bigl: Ich schließe das für alle großen Bereiche aus.

KREUZER: Der Bericht spricht davon, dass eine "Zusammenführung der Wissenschafts-Kulturen" zu wünschen übrig lasse. Ist nicht gerade das Rektorat, das vorwiegend mit Naturwissenschaftlern besetzt ist, ein Beispiel dafür, dass Geistes- und Sozialwissenschaftler an der Spitze unterrepräsentiert sind?
Bigl: In dem Moment, wo man von der Gesamtheit der Universität in ein solches Amt gewählt wird, läßt man die Interessen der eigenen Fakultät hinter sich zurück. Für die weitere Entwicklung für Gesellschaft und Wissenschaft ist es jedoch dringend erforderlich, diese beiden Kulturen sehr viel stärker als bisher in den Dialog bringen.

KREUZER: Wie man hört, planen Sie eine weitere Hochschulzeitschrift zu etablieren, um auch die politikmüden Studierenden an diesem Dialog zu beteiligen?
Bigl: Das ist wirklich nur eine erste Überlegung mit dem Ziel, innerhalb der Universität Althergebrachtes aufzubrechen. Wir wollen stärker Alltagsinformationen über Hochschul- und Wissenschaftspolitik vermitteln, denn die einzelnen Institute wissen viel zu wenig voneinander. Ich denke übrigens weniger an eine Hochglanzzeitschrift, die wir uns finanziell nicht leisten könnten, sondern eher an ein auf profanem Zeitungspapier gedrucktes Mitteilungsblatt.

KREUZER: Der Sparbeschluss der sächsischen Staatsregierung sieht vor, dass bis 2008 rund 17 Prozent der Stellen an den Hochschulen des Freistaates gestrichen oder umverteilt werden müssen. In welchen Bereichen werden Sie mit Kürzungen beginnen.
Bigl: Die Vorgaben der Staatsregierung lassen den Universitäten freie Hand - vorgeschrieben ist nicht die Stellenart, sondern nur die Stellenzahl. Das Rektorats-Kollegium hat bis August Zeit die Stellen zu benennen, die ab 1.1.2001 wegfallen sollen.

KREUZER: Wäre es nicht sinnvoll, wie die Kommission an einer Stelle anregt, den Fachbereich Erziehungswissenschaft zu schließen, angesichts einer rückgehenden Nachfrage an Lehrern?
Bigl: Nein, die erziehungswissenschaftliche Fakultät wird weiter bestehen. Es geht meines Erachtens darum, zusätzlich zu den Fakultäten in einer Art "Overlay"-Struktur alle Kollegen, die mit Lehrerausbildung beschäftigt sind, besser in Kontakt zu bringen. Beispiel: Wir haben vor sieben Jahren das Zentrum für Höhere Studien gegründet, eine Einrichtung, die zwischen allen Fakultäten sitzt, deren Mitglieder immer noch ihren jeweiligen Fakultäten angehören. Damit haben wir für die interdisziplinäre Arbeit eine Organisationsstruktur geschaffen, ohne an den alten Fakultätsstrukturen zu rütteln.

KREUZER: Manch einer will die Universitäten auch durch neue Technologien verschlanken. Kann die"virtuelle Vorlesung" im Internet den Professor ersetzen?
Bigl: Wir stehen dem Thema "Multimediales Lernen" offen gegenüber, aber diese neuen Techniken sind eher ein Hilfsmittel für die Ausbildung. Sie werden den normalen Gesicht-zu-Gesicht-Unterricht zwischen Student und Professor nicht ersetzen können.

KREUZER: Am Ende eines Haushaltsjahres, das weiß ich aus meiner Erfahrung an einer Universität, sind die Gelder für Personal oft ausgeschöpft, doch Mittel für Sachausgaben sind noch vorhanden. Dann verbrät man das Geld in aller Eile für Computer...
Bigl: Das passiert bei uns nicht. In Sachen Autonomie sind wir allerdings noch nicht am Ende des Weges. Darunter verstehe ich, dass wir nicht für jede Stelle und für jede Ausrüstung an die Staatsregierung herantreten müssen, sondern dass wir möglichst bald über einen Gesamttopf an Finanzen verfügen, über den wir nach eigenen Entwicklungsplänen verfügen können.

KREUZER: Was heißt "möglichst bald"?
Bigl: Wenn es nach mir ginge, sollten wir im nächsten Jahr beginnen, aber das ist wahrscheinlich zu kurz gegriffen. Ich hoffe, dass es schon in den nächsten Wochen zu formellen Beziehungen von Hochschule und Staatsregierung kommt.

INTERVIEW: DANIEL STURM